Silke war die erste. Als andere noch die Nase gerümpft haben und dachten: „Was macht die denn für verrücktes Yoga“, blieb sie ruhig und hat einfach weiter unterrichtet. Und zwar das, was jetzt fast jeder macht: Vinyasa Yoga. Das Studio, den Yogaraum Hamburg, leitet sie zusammen mit ihrer bezaubernden Partnerin Suse Hübner. Es ist eine Institution in der Hamburger Yogaszene. Ihr gemeinsames Studio steht für langjähriges, fundiertes Yoga und hat eine treue Yogacommunity.
Silke selbst ist leidenschaftliche Surferin. Ich habe sie mal in El Palmar auf dem Wasser beobachtet: Hammer. Mit Ausdauer, Abenteuerlust und viel Leidenschaft. Dabei ist sie so wunderbar unaufgeregt und ja, ich würde sogar sagen bodenständig – auf eine sehr angenehme Art und Weise.
Dass das Yogastudio so gut läuft, war nicht immer so. Über ihren holprigen Anfänge und was ihr geholfen hat, in schwierigen Zeiten dranzubleiben. Darüber habe ich mit ihr gesprochen.
Wie bist du zum Yoga gekommen?
Ich habe angefangen mit Iyengar Yoga, aber da fehlte mir immer irgendetwas. Ich finde es ist ein toller Stil, aber für mich war es nicht der richtige. Und dann sind wir nach Hawai in den Urlaub gefahren und da hat jemand Poweryoga unterrichtet. Ich habe eine Stunde mitgemacht und war sofort schockverliebt.
Dann habe ich mitgekriegt, dass die Lehrerin auch ausbildet. Da wollte ich mitmachen. Sie erklärte mir: wenn du ein Jahr lang jeden Tag übst, kannst du nächstes Jahr wiederkommen.
Darauf hast du dich eingelassen?
Ja, ich habe ganz konsequent geübt, was sie mir gezeigt hat und dann habe ich sie angerufen und sie hat gesagt: ok, komm. Daraufhin habe ich meinen Job in der Musikbranche gekündigt, und bin zu ihr gefahren. Da war noch gar nicht klar, wie lange die Ausbildung dauert. Sie hat gesagt, es dauert so lange, wie es dauert.
Dass heißt, du hattest keinen festen Plan?
Nein, gar nicht. Ich wollte auch gar nicht Lehrerin werden. Ich wollte erstmal nur Yoga studieren. Ich bin dann hin und dachte ich bleibe zwei Monate. Am Ende waren es fünf. Ich habe dann auch gleich vor Ort angefangen zu unterrichten, und zum Abschluss der Ausbildung, hat mir meine Lehrerin noch eine Woche Pattabhi Jobs geschenkt. Der kam damals noch nach Hawai. Und ich habe bei Nancy Gilgoff in ihrer ganz alten Shala, die gibt es glaube ich immer noch, Astanga Yoga gelernt.
Wie war es mit Pattabhi Jois Yoga zu üben?
Wir waren 180 Leute und alle Big Names waren da: David Svenson, Danny Paradise, Nancy Gilgoff. Es war überhaupt nicht bunt, sondern sehr sehr dedicated – Ashtangis halt. Ich habe drei Tage gebraucht mich an die Energie da zu gewöhnen. Die Männer hatten zum Teil nur Stoffwindeln an. Das war noch real Ashtanga.
Pattabhi Jois hat vorne gezählt: „Ekam, dwe …“ und dazu gibt es auch eine ganz lustige Anekdote. Ich kannte Pattabhi Jois ja gar nicht, und alle Schüler haben nach der Stunde seine Füße geküsst. Ich fragte mich: „Was machen die denn da? Und… Das mache ich nicht.“ Und dann war ich halt an der Reihe und habe gesagt: „Ich bedanke mich bei dir, aber ich Knie mich nicht nieder, das ist nicht meine Tradition. Aber ich kann dich gern umarmen.“ Da hat der so gelacht, da gibt es sogar noch ein Foto von. Das fand der aber gar nicht schlimm. Das war das erste Mal, wo ich dachte:
„Man muss schon bei sich bleiben und nicht irgendwas machen, was alle machen.“
Wie ging dein Weg als Yoga Lehrerin dann weiter? Wolltest du hier in Hamburg sofort Yoga unterrichten?
Ja. Ich bin dann zurück nach Hamburg. Und damals gab ja noch kaum Yoga hier. Es gab Kundalini Yoga und Iyengar Yoga, aber es gab überhaupt kein Vinyasa Yoga. Zuerst haben mich meine Freunde gefragt und dann habe ich einen kostenlosen Yoga Workshop gegeben. Danach habe ich angefangen zu unterrichten – drei Kurse in der Woche.
Hier in Deutschland war es am Anfang für mich sehr schwer. Es kam mir sehr viel Abwehr von den bestehenden Traditionen entgegen. Es war echt schwierig. Man musste immer erklären, dass es kein Gehopse ist, was ich unterrichte. Ich musste richtig für meine Stunden kämpfen.
Der erste Verein, der überhaupt etwas mit mir machen wollte, war der ETV. Es gab sonst nirgendwo Bereitschaft dafür Vinyasa Yoga anzubieten. Nirgendwo. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.
Das heißt, du bist erstmal zu Sportstudios und Vereinen gegangen und hast Yoga angeboten?
Ja, und es war wirklich pure Ablehnung. Die Gegenwehr hat mich am Anfang echt überrascht. Ich dachte, es freuen sich jetzt alle, wenn ich komme – aber das Gegenteil war der Fall. Die meisten haben entweder gar nicht geantwortet oder gesagt: Es gibt keinen Bedarf. Ich musste unglaublich viel erklären. Und als ich dann beim ETV angefangen habe, saß ich am Anfang auch mit nur wenig Leuten da.
Das gute war aber, dass ich zuerst nie hauptberuflich als Yogalehrerin arbeiten wollte. Deswegen musste ich mit dem Yoga kein Geld verdienen.
Wann hattest du die Idee ein eigenes Studio aufzumachen?
Das hat sich eher so ergeben und ist sehr natürlich gewachsen. Es sind immer mehr Leute geworden. Dann habe ich angefangen in Eimsbüttel einen festen Raum zu mieten. Das war für mich ein Riesenschritt, einen festen Raum zu mieten, und das Commitment zu haben Monat für Monat die Miete reinzuholen. Das ist auch ein Kopfding, also ich fand das sehr schwierig. Und ich habe ein paar Jahre gebraucht, bis ich mir das zugetraut habe.
Wann habt ihr den Yogaraum gegründet?
1999 habe ich mein erstes Studio gegründet. Da hieß ich noch Maui Yoga. Und vor elf Jahren habe ich dann zusammen mit Suse den Yogaraum Hamburg gegründet. Ich habe als Yogalehrerin bald 20-jähriges. Die Zeit ist wie im Flug vergangen.
Jetzt sagen ja viele, ihr habt so ein gut laufendes Studio – aber das war ja nicht immer so. Wie lief es als du angefangen hast mit deinem ersten Studio?
Zuerst habe ich meistens dafür gearbeitet, dass wenigstens die Miete reinkommt. Ich saß oft nur mit ein oder zwei Leuten da und musste unglaublich viel klappern. Also viel Werbung machen, damit überhaupt jemand kommt. Es hat wirklich sehr lange gedauert. Und ich musste viel Überzeugungsarbeit leisten.
Mein Freund ist auch Surfer, und dadurch hatte ich zum Glück viele Fahrradkuriere und Surfer in meinen Kursen. Wenn ich diesen freundschaftlichen Support nicht gehabt hätte, wäre es noch viel schwerer gewesen. Aber die ersten neun Jahre habe ich nicht einen Pfennig mit der Yoga Schule verdient.
Als ich mich dann mit Suse zusammengetan habe, haben wir unsere Energien gebündelt. Der Yogaraum so wie er heute existiert, ist dadurch entstanden. Das wäre ohne die gegenseitige Unterstützung so gar nicht möglich gewesen.
Was war am Anfang für dich die große Herausforderung?
Wenn man zur Yoga Schule fährt und den Raum schön macht und dann kommt keiner. Das ist erstmal enttäuschend und dann zahlt man ja auch drauf. Die Motivation dabei aufrecht zu erhalten, war gar nicht so einfach. Natürlich zweifelt man dann auch und fragt sich: „Ist das eigentlich richtig, was ich hier mache?“
Wie hat du es geschafft deine Motivation trotzdem aufrecht zu erhalten?
Ich hatte den Fokus nie darauf eine Schule aufzubauen, von der ich leben kann. Ich wollte die Initialzündung weitergeben, die mich selbst zum Yoga gebracht hat. Dadurch konnte ich das verknusen. Ich bin langsam gewachsen und je besser es lief, umso größer wurde ich. Später hat mir natürlich auch die Zusammenarbeit mit Suse sehr geholfen.
Aber ich glaube du darfst auf Yoga nicht so den Druck ausüben, nach dem Motto: „Du musst davon leben.“ Natürlich soll da auch Geld fließen, aber wenn es deine Hauptmotivation ist, entsteht einfach viel Druck.
Ich glaube mir hat auf jeden Fall Demut geholfen. Die Demut weiterzumachen, auch wenn es nicht so lukrativ ist. Und auf jeden Fall auch Ausdauer. Ich bin tatsächlich sehr ausdauernd und an allererster Stelle steht für mich die Freude. Die Freude steht wirklich am Anfang, weil ich so gerne unterrichte.
Wie erhälst du dir diese Freude? Gerade weil du ja sehr viel unterrichtest.
Ich unterrichte gar nicht mehr so viel. Früher habe ich vierzehn Stunden unterrichtet. Jetzt mache ich nur noch fünf. Und jede Stunde, die ich unterrichte mache ich mit Herz, und mit Leidenschaft, und mit Lust. Das wäre aber nicht so, wenn ich vierzehn Stunden in der Woche unterrichten würde. Fünf mal die Woche übe ich selbst, immer wenn mein Sohn morgens aus dem Haus geht.
Mein Studio ist mittlerweile wie mein zu Hause. Viele sind auch schon von Anfang an dabei. Aber wenn ich mal länger weg bin, kriege ich richtig Heimweh nach dem Yogaraum.
Das heißt, du hattest nie die Intention hauptberuflich als Yogalehrerin zu arbeiten?
Nein. Ich habe viele andere Jobs gemacht. Ich wollte Yoga zwar gern weitergeben, aber der Fokus lag nicht darauf es zu meinem Hautjob zu machen.
Ich glaube heute nehmen sich die Menschen nicht mehr genug Zeit für den Yogaweg. Dazu braucht es auch die Bereitschaft erstmal zu lernen und sich umzuschauen und sich eine eigene Praxis aufzubauen. Da wird so ein Druck aufgebaut. Das finde ich schade, weil es ja ein lebenslanger Weg ist.
Und ich habe heute oft das Gefühl, dass Yoga zu einem Ziel geworden ist. Ob es eine Asana ist, wie zum Beispiel der Handstand, oder auch eine Karriere als Yogi. Ich habe zum Beispiel neun Jahre gebraucht mit meinem Handstand Frieden zu schließen. Und das ist völlig in Ordnung. Den Yogaweg zu entdecken, darf ruhig etwas länger dauern und es drauf auch langsam vorangehen.
Ja, zu entdecken und den Yogaweg auch zu gehen. In erster Linie bleibt man ja immer Schüler.
Ja, und als Lehrer musst du die Dinge, die du erzählst ja auch selbst erleben und erfühlen. Das braucht einfach seine Zeit. Viele fangen gerade an und sind dann überall aktiv. Zu denen möchte ich gerne sagen:
Macht euch nicht so einen Druck!
Mehr über Silke und Suses Studio findest du im Yogaraum Hamburg.
Seit einem Jahr betreiben Silke und Suse auch ein ganz schönes Retreat Center auf Ibiza: Prana Ibiza