I think you have changed since last year?“, ich wusste, das das jetzt kommt, aber die ehrliche Antwort ist: „No“

Ich stehe mit David Keil am Anfang der Yogamatte, bin am Ende der Ashtanga Yoga Sequenz, jetzt geht es um Drop Backs. Sich aus dem Stand in Urdhva Dhanurasana fallen lassen, rückwärts selbstverständlich. Im letzten Jahr um die gleiche Zeit standen wir genau an der gleichen Stelle. David war überzeugt, dass ich die Drop Backs allein machen soll und kann. Ich nicht. Es war ein tägliches Ringen.

FOKUSSIERTE YOGA STUNDE MIT NUR 12 SCHÜLERN 

David Keil ist ein sehr angenehmer Lehrer. Er lebt in Miami und besucht Europa jedes Jahr um hier Workshops zu geben, zum Beispiel bei Inke Shenar in Hamburg. Er ist eher ruhig, geerdet und hat ein unfassbares Yoga Anatomiewissen. Im Laufe seiner mittlerweile über 18 Jahre langen Lehrertätigkeit hat er gelernt körperliche und mentale Blockaden in seinen Schülern zu lesen. Dabei geht er sehr umsichtig mit jedem einzelnen um. Damit er genug Zeit und Raum hat auf alle einzugehen, beschränkt er die Klassen auf maximal 12 Schüler. So wird eine intensive Praxis möglich. Er schaut genau was jeder gerade braucht und versucht zu helfen etwas mehr Raum und Freiheit zu schaffen. Vordergründig auf körperlicher Ebene, tatsächlich auf mentaler Ebene.

DAVID KEIL VERSUCHT EINEN OBJEKTIVEREN BLICK ZU ZEIGEN

Jetzt, ein Jahr später. Bin ich noch fassungsloser als im letzten Jahr. Fassungslos weil ich im selben Muster festhänge. Jeden Morgen stehen wir wieder am Mattenanfang. Mittlerweile macht er nur noch eine Handbewegung, nach dem Motte „worauf wartest Du noch?“ Es nervt. Weil ich weiß, dass es stimmt. Geht es darum Drop Backs zu können? Nein. Aber etwas triggert mich tief. Was hält mich zurück und warum sieht er etwas, was ich nicht fühle? 

DER KOPF GIBT DEN WEG FREI

Okay, ich versuche es nochmal allein, aber irgendwie ist das nicht ehrlich, ich warte von Anfang an auf die Angst und hoffe insgeheim, dass sie sich irgendwann einfach so verpieselt. Aber na, da ist sie ja schon wieder, ungefähr auf halben Weg nach unten. Und weil es ein gewohntes Gefühl ist, gebe ich dem nach und komme gleich wieder hoch.  Hier geht’s für mich nicht weiter. Die Grenze ist erreicht: „I need help!“ Er kommt und hilft. Mir kommt es langsam albern vor, weil ich seit Jahren dasselbe mache. Mich sträube das alte Muster zu lösen, der Angst einmal kurz „Hallo“ sage und dann? Schnell wieder weg! Auch andere im Raum kommen an ihre Grenzen. Natürlich sind die nicht bei jedem mental, aber oft. 

[clickandtweet handle=““ hashtag=““ related=““ layout=““ position=““]“Body is not stiff. Mind is stiff.“ Sri K. Pattabhi Jois[/clickandtweet]

EINE VERBINDUNG ZU SCHAFFEN IST DAVID KEIL WICHTIG 

Für eine Woche, jeden Morgen kommen wir 12 wieder auf die Matte. Mal läuft es leichter, mal schwerer. David Keil ist es wichtig eine Verbindung zu jedem einzelnen aufzubauen, das merkt man. Mal bleibt er lang, mal kurz, oft erklärt er, manchmal mit Worten und manchmal demonstriert er etwas. Oft redet er aber auch gar nicht. Meist sucht er sich ein Thema oder ein – zwei Asanas heraus bei denen er länger mit seinen Schülern verweilt, um die körperlichen oder geistigen Grenzen ein klein wenig zu erweitern. Manchmal dauert das. 

David Keil unterrichtet Ashtanga Yoga

DA KANNSTE LANGE WARTEN, DIE ANGST BLEIBT

Nach vier Tagen stehen wir wieder zusammen am Mattenanfang. Das gleiche Spiel: mein Geist übernimmt die Zügel und übergibt sie an die Angst. David guckt mir in die Augen:

[clickandtweet handle=““ hashtag=““ related=““ layout=““ position=““]“Don’t wait for the fear to go away. It will not!“, David Keil[/clickandtweet]

Yep. Verstanden, aber… will ich noch einwenden. Dann lässt er mich alleine gehen. Nach der Hälfte komme ich wieder hoch. Geht nicht. Sach ich doch. Alles auf Anfang. Also nochmal runter. Allein. 

„Keep going“, sagt er, die Angst kommt. Immer näher, überflutet mich. Ich denke: ich kann ich nicht schon wieder hochkommen. Dann stehen wir nächstes Jahr hier wieder zusammen. Es ist an der Zeit weiterzugehen. Sich nicht mit der Angst zu identifizieren. Ich habe Angst aber bin nicht meine Angst. Ich kann die Zügel in den Händen der Angst lassen oder sie wieder an mich nehmen. Das tue ich jetzt und gehe ich weiter. Mein Verstand rastet aus und meine Hände landen auf der Matte. Zum Glück. Das erste Mal ganz allein und es fühlt sich richtig gut an.

Ist es wirklich wichtig irgendwelche Asanas zu beherrschen?  Definitiv nein. Aber alte Muster, vor allem Ängste und Zweifel, die wir festhalten loszulassen und zu lernen mutiger zu werden, ja!

 

 

David Keil lebt mit seiner Frau in Miami und gibt jedes Jahr Workshops und Retreats in Europa.

 

 

 

 

 

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