Yoga Nidra sollte jeder einmal ausprobieren. Ich habe es vor einigen Jahren kennen und lieben gelernt. Warum diese kraftvolle Technik, gerade in der heutigen Zeit, so wertvoll ist. Und wie sogar deine Hirnaktivität positiv beeinflusst wird. Darüber habe ich mit  Annabelle Oymann gesprochen. Annabelle kenne ich noch aus meiner allerersten Yogalehererausbildung. Sie ist eine wundervoll warme und herzliche Yogalehrerin, die regelmäßig Einführungen zu Yoga Nidra anbietet.

Yoga Nidra begegnet einem häufiger, was ist das genau?

Im Grunde ist es eine Tiefenentspannung, die 3 wesentliche Bereiche unseres Seins mit einbezieht. Einmal sind das die mentalen Anspannungen, die wir lösen, die psychischen Anspannungen und die körperlichen. Deswegen ist es so eine tiefgehende und intensive Form der Entspannung. Es gibt unterschiedliche Traditionen von Yoga Nidra. Ich praktiziere Satyanada Yoga Nidra. Ziel dabei ist es, den Rückzug der Sinne von den Sinnesobjekten zu üben. Dabei gibt es immer einen 10-Stufen-Plan, der durchgesprochen wird. Das dauert meisten 30-45 Minuten. Anders als das, was man vielleicht aus Yogastunden kennt. Wenn man mal 15 Minuten Yoga Nidra macht, das ist dann nur ein Teil aus den Übungen und nicht ganz so kraftvoll wie eine komplette Session.

Was ist so kraftvoll an Pratyahara, also dem Rückzug der Sinne von den Sinnesobjekten?

Ich bin Mutter von 2 Kindern und lebe in der modernen Welt,  als Mensch in der Stadt. Ich bin medial viel beschäftig und Yoga Nidra gibt mir die Möglichkeit in einen sehr tiefen Entspannungszustand zu kommen. Du beschränkst dich in dieser Praxis nur noch darauf zu hören und deine Achtsamkeit zu erweitern.

„Nidra“ heißt Schlaf. Yoga Nidra heißt also übersetzt der „yogische Schlaf“. Aber Du schläfst nicht, sondern versuchst dein Bewusstsein zu erweitern, während dein Körper tief entspannt ruht. Dieses Gefühl in diese tiefe tiefe Entspannung sinken zu dürfen, ist einfach … ich hätte jetzt fast gesagt: „göttlich“. Es ist ein wunderschönes Entspannungsgefühl. Es transformiert mein Leben täglich (wenn ich es schaffe täglich zu praktizieren). Auch gerade für Mamis und Menschen, die ständig von links nach rechts schwirren ist es heilsam. Es bringt dich einfach so zu dir zurück und ins Fühlen.

Aber der Körper schläft nicht wirklich, was passiert genau?

Es ist so. Dadurch, dass die Sinneswahrnehmungen sich beschränken, also Du die Sinne von den Objekten zurückziehst, nimmst Du deinen Körper nicht mehr bewusst wahr und kommst in einen besonderen Zustand. Dies wird mehr und mehr wissenschaftlich erforscht. Es gibt auch eine Studie dazu, die an der Sportuni Köln durchgeführt wurde. Die Hirnforschung nennt es den „hypnagogen Zustand“. Das ist der Zustand zwischen Wachen und Schlafen. Viele kennen das, wenn sie kurz davor sind einzuschlafen. Wenn Du das Gefühl hast ‚oh ich Falle‘ oder ich sinke tiefer. Das ist dieser Zustand. Um diesen Zustand herum bewegst Du dich die ganze Zeit im Yoga Nidra. Das hat sogar einen Einfluss auf unsere Gehirnwellen und ist messbar. Man weiß, dass das Gehirn dadurch in den sogenannten Alpha Zustand kommt, welcher uns in eine tiefe Entspannung bringt. Was quasi der entspannteste Zustand ist, in den unser Gehirn überhaupt kommen kann. Es gibt noch einen tieferen, den Theta Zustand, aber es ist ein sehr entspannter Zustand.

Und ein wichtiger, um z.B. in deine Kreativität zu kommen.

Genau. Es geht um die Vrittis, unsere Gedankenwirbel. Das ist ein großer Aspekt in der Yogaphilosophie. Das wir lernen mit den Vrittis, also unseren Gedankenwirbeln umzugehen und nicht ständig im Geist herumspringen: „Oh, da höre ich gerade noch das Telefon klingeln“, und „Ich muss noch den Einkauf erledigen und das Auto Umparken“, sondern ich bin mit meiner Aufmerksamkeit ganz bei dieser Anleitung. Dadurch schule ich meine Haltung als Beobachter. 

Total spannend. Wie bist du dazu gekommen?

Wie so oft in meinem Leben, wenn es ein Tiefpunkt gab, kam Yoga in mein Leben. Und das war damals 2012 in meiner 1. Schwangerschaft, mit meiner ersten Tochter. Zum Ende hin war die leider ziemlich kompliziert. Heute geht es meiner Tochter gut, aber es war gesundheitlich schwierig und ich hatte große Ängste, dass es dem Kind gut geht. Yoga Nidra kam da plötzlich in mein Leben. Ich habe darüber gelesen und eine CD bestellt von Swami Prakaschananda. Sie ist eine deutsche Sannyasin mit sehr tiefem Wissen. Sie war es, die Yoga Nidra nach Deutschland gebracht hat, nachdem sie viele Jahre bei ihrem Meister,  dem Erfinder von Yoga Nidra Swami Satyananda gelernt hat. Von ihr habe ich mich per CD durch Yoga Nidra führen lassen. Und ich habe gemerkt, dass ich wieder zu mir finden konnte. Wieder Hoffnung geschöpft habe in einer sehr angsteinflößenden Zeit. Das war so ein großes Geschenk. Zwei Jahre später habe ich die Ausbildung bei ihr angefangen. Das war die letzte, die sie angeboten hat. Es war auch der letzte Platz. Das war eine ganz tolle, tiefe und großartige Erfahrung und ich bin ihr sehr dankbar dafür.

Gibt es eine Empfehlung, wie oft man Yoga Nidra üben soll? Gibt es eine Entwicklung im Gehirn oder passiert da genau?

Auf jeden Fall. Je regelmäßiger desto besser. Am besten täglich. Es gibt mittlerweile auch Forschungsergebnisse dazu, die man, wenn man da tiefer einsteigen möchte, auch nachlesen kann. Yoga Nidra hat einen Effekt auf das Bewusstsein. Du schulst dein Bewusstsein. Du beginnst deine Gedanken mehr zu trainieren und in die Situation des Beobachters zu gehen. Das, was die Yogis seit 1000 Jahren predigen: „Nimm die Haltung des Beobachters ein“.  Genau das übst Du im Yoga Nidra.  Ein Teil der Praxis ist das Kreisen der Wahrnehmung durch den Körper.  Eine der wichtigsten Stufen überhaupt. Du gehst dabei mit Hilfe der Stimme des Lehrers deinen Körper durch. Der Lehrer sagt z.B.: Daumen, Zeigefinger, Mittelfinger und Du gehst im Geist den Namen durch und machst dir ein Bild von dem jeweiligen Körperteil. Das superspannende daran ist: es gibt einen bestimmten Bereich im Gehirn, die sensomotorische Rinde, und auf dieser Rinde finden die Gehirnforscher jeden einzelnen Punkt des Körpers. Es gibt dazu auch eine ganz spannende Grafik, wo man diesen Teil des Gehirns sehen kann. Man redet dann von diesem motorischen Homunkulus. Jedes Körperteil findet dort eine Entsprechung. Wenn ich das Wort auf das Körperteil lege, dann hat dies einen direkten Effekt auf das Gehirn und der Bereich im Gehirn wird ebenfalls aktiviert. Und deshalb hat es eine so starke Wirkung, weil es einmal körperlich stattfindet und die mentale Verbindung hat. 

Und dann gibt es ja noch das Sankalpa, kannst Du das erklären?

Das Sankalpa ist eine Art Intention, ein positiver Vorsatz, der für dich in deinem Leben wichtig sein kann. Es heißt, dass Du das nicht aus dem Verstand wählen kannst, sondern es enstpringt deinem Herzen. Dieser positive Satz wird am Anfang von Yoga Nidra ins Unterbewusstsein gelegt. Dort ist es wie ein Samen, der in gute Erde gesetzt wird und dort kann er reifen. Und die Yogis glauben ganz klar, das etwas, was wir in dem Zustand in das Unterbewusste legen,  auf jeden Fall ins Leben kommt. Das es auf jeden Fall Wahrheit wird.

Bringt es einem auch seiner Lebensaufgabe nähert?

Es gibt auch da in den tantrischen Schriften einen ganz klaren Bezug von Yoga Nidra zum Dharma, zur Lebensaufgabe. Es hilft da dabei, unsere Lebenensthemen zu erkennen und durch dieses Erkennen kommt man seiner Lebensaufgabe näher. Da gibt es eine sehr enge Verbindung, weil man meist sehr deutlich auf ein bestimmtes Thema gestoßen wird. Auch ich habe dadurch mehr gespürt, worum es für mich geht. Das ist wie eine Häutung. Man spricht auch nicht darüber, sondern es wächst und reift im eigenen Herzen. 

Was ist dein Anliegen, wenn Du Yoga Nidra unterrichtest?

Ich denke, dass wir alle so individuell sind und so verschieden, dass wir uns unterschiedliche Dinge aus so einer intensiven Übung rausziehen. Ich mache das jetzt seit 2012 und ich merke es gibt noch soviele Dinge, die ich speziell in dieser Übung lernen kann. Aber ich für mein Leben entwickle durch diese Praxis so eine Nähe zu mir und spüre so eine Kraft und eine Klarheit. Ich wünsche mir, dass viele Menschen in diesen Genuss kommen. Was auch immer sie letztlich da rausziehen für sich.

Mehr über Annabelle erfährst Du auf Ihrer Webseite. Annabelle gibt einmal im Monat sonntags eine Yoga & Yoga Nidra Stunde. Die nächste findet am 09.12. statt. Am 20. 01. gibt es auch eine Einführung über Yoga Nidra mit Annabelle. Mehr Infos & Anmeldung findest du hier.

Ich verlose 2 Plätze für die Einführung mit Annabelle am 20.01.2019 Hinterlasse dafür hier auf dem Blog bis zum 10.12.2018 ein Kommentar, warum Du gern daran teilnehmen möchtest.

Foto: Viviane Grigull

Buchtipp: Yoga Nidra, Swami Satyananda. 

*dieser Artikel enthält Amazon Affiliate Links

13 Comments

  1. Ein sehr inspirierender Artikel. Danke! Ich würde gerne mal erleben wie sich der „yogische Schlaf“ auf meine Gedankenwirbel auswirkt. LG gerd

  2. das hört sich wirklich „göttlich“ an! Das könnte ich momentan mit zwei kranken Kindern und ich selbst gard erst von der letzten Bronchitis mehr schlecht als recht erholt, mehr als gut gebrauchen!

  3. Vielen Dank für das schöne Interview. Ich kenne Annabelle aus meiner Yogaausbildung. Dort war sie zwei Tage als Dozentin Gast und hat uns durch die“Herzöffner-Stunden“ geführt. Die Wirkung werde ich nie vergessen. Es war Herz öffnend/ berührend! Yoga Nidra wäre eine neue Erfahrung für mich…und dann bei Annabelle. Das wäre einfach wunderbar! Namasté, Sarah

  4. Ich habe yogischen Schlaf schon erlebt und finde insbesondere Annabelle ganz wundervoll. Ich würde mich sehr freuen in die Theorie mal tiefer eintauchen zu dürfen! ‍♀️

  5. Oh, da würde ich sooo gerne mitmachen. Ich kann voll oft nachts nicht durchschlafen und bin gespannt, ob mir Yoga Nidra dabei vielleicht mal helfen könnte?!

  6. Henrike Wachsmuth Reply

    Liebe Heike,
    Ein wunderbarer Beitrag! Sehr spannend zu lesen!
    Ich selbst habe Yoga Nidra noch nie ausprobiert und immer nur mal wenig bis gar nichts davon gehört. Es wäre mir eine große Freude, dieses Gefühl zu erleben.
    Liebe Grüße,
    Henrike

  7. Ich habe mich bislang wenig bis gar nicht mit dem Thema befasst, um ehrlich zu sein, finde aber Deinen Bericht darüber sehr interessant und frage mich ob es mir dabei helfen könnte mein inneres Gleichgewicht wieder zu finden, mich vom ganzen Stress und Hektik des Arbeitalltages etwas zu befreien. Dieses Gefühl des einfach funktionieren müssen und auf die eigenen Bedürfnisse nicht einzugehen würde ich gerne durch etwas schöneres ersetzen können.

    • Lieber Dennis, das kann ich mir gut vorstellen. Yoga Nidra ist wirklich toll, weil es dich körperlich und geistig in einen tiefen Entspannungszustand versetzt. Viel Glück!

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